Montag, 18. März 2013

Ein Jahr nach Morgen (TV) (2012)


EIN JAHR NACH MORGEN
Deutschland 2012
TV-Erstausstrahlung: 21.09.2012 (arte)
Regie: Aelrun Goette


Mit dem Jagdgewehr ihres Vaters erschießt die 16-jährige Luca (Gloria Endres de Oliveira) zwei Menschen. Ein Jahr nach der Tat ist das Motiv immer noch völlig unklar. Im Zuge der Gerichtsverhandlungen, die auch die Mitschuld der Eltern klären sollen, kreuzen sich die Wege von Lucas Eltern (Margarita Broich und Rainer Bock), ihrem vom Weltschmerz zerfressenen Freund Julius (Jannis Niewöhner) und der Familie eines der Opfer…

Aelrun Goette hat es sicher gut gemeint, sie mutet ihrem sehr nach Fernsehen aussehenden Film aber derartig viele Themen zu, dass das Projekt in dieser Form geradezu zum Scheitern verurteilt ist. Der Film möchte nicht nur nach den Ursachen für Amokläufe suchen (und bleibt dabei blass), er wirft auch noch reichlich teenage angst seitens Julius und Verweise auf (immer wieder) aktuelle Themen wie Ego-Shooter-Verbote mit in den Topf. Ambitioniert ist da alles, keine Frage, einzig an der Umsetzung und vor allem an dem uninspirierten Drehbuch scheitert Ein Jahr nach morgen.

Die Darsteller wandeln fast alle schlaftrunken durch die Szenerie, allen voran Margarita Broich, die dem Terminus ausdruckslos hier eine ganz neue Dimension verleiht. Rainer Bock als Vater sagt seine Texte auf, ohne sie mit Leben zu füllen, Jannis Niewöhner kommt nicht über die „gut gemeint“-Hürde hinweg, Maurizio Magno als Andreas ist ganz offensichtlich ein Kind, dass schauspielert. Einzig Gloria Endres de Oliveira zeigt Präsenz und macht ihre sträflich wenig genutzte Luca zur großen positiven Ausnahme in der Darstellerriege.

Ein Jahr nach morgen stolpert bei fast jedem Schritt. Die Bilder bemühen sich um Realismus und darum, die Fernsehherkunft nicht zu deutlich zu Tage treten zu lassen, während die in den Bildern aufgesagten Dialoge zu deutlich nach Drehbuch klingen. Realismus auf visueller, Unrealismus auf inhaltlicher Ebene – der Film zerreißt. Die etwas an ein Mosaik erinnernde Struktur, die die Tat nicht zeigt und nicht immer chronologisch vorgeht, kann das Interesse zumindest etwas halten, auch wenn man sich durch viel zu viel belehrendes Betroffenheits-TV-Kino kämpfen muss. Ein Jahr nach morgen hat kein wirkliches Interesse an Lösungen, Erklärungen oder auch nur stimmiger Erzählweise. Es wird einfach ein lethargischer Ist-Zustand bebildert, der viel zu wenig für einen Spielfilm hergibt, weil die Regisseurin eher den Zeigefinger erhebt und im 1x1 der Küchenpsychologie nachschlägt, als eigene Ideen zu entwickeln, die Figuren interessant zu machen oder sonst etwas. Goette möchte hinter die Fassaden blicken, den Zuschauer die Seelenzustände begreiflich machen und landet dabei doch nur in Klischees und Pathos. Julius‘ Mobber verhalten sich beispielsweise wie jeder jugendliche Film-Rowdy, nicht realistisch, sondern wie im Cartoon grotesk überzeichnet und ohne Brechungen.

Das Goette sich Klischees bedient ist erst mal nicht verwerflich. Dass sie diese aber nicht hinterfragt, aufbricht oder sonst wie mit ihnen spielt, schon. So bleibt unterm Strich nur das hypnotische Spiel von Gloria Endres de Oliveira, deren Konterfei mit Waffe nicht umsonst das Poster des Films ziert, dass Ein Jahr nach morgen zumindest für vielleicht zehn der insgesamt 90 Filmminuten interessant macht. Ansonsten bleibt der Eindruck, hier sollte ein „wichtiger“ Film gedreht werden, kein „guter“.




[KEIN TRAILER VORHANDEN]

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