Donnerstag, 14. März 2013

Prometheus - Dunkle Zeichen (2012)


PROMETHEUS - DUNKLE ZEICHEN
(Prometheus)
USA/Großbritannien 2012
Dt. Kinostart: 09.08.2012
Regie: Ridley Scott

ACHTUNG! Die folgende Kritik enthält ein paar kleinere Spoiler. Wer sich ein gänzlich "reines" Filmvergnügen bewahren will, der geht erst ins Kino und schaut dann wieder hier vorbei.

Offizielle Sprachregelungen sind etwas Wunderbares. So wird Ridley Scotts Reise zu seinen filmischen Ursprüngen nicht als direkte Vorgeschichte zu seinem Kultfilm Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt vermarktet, sondern als eigenständiges Werk, das aber sehr viel Alien-DNA in sich trägt. Dass Prometheus mit ein oder zwei Fortsetzungen die Lücke zwischen den Filmen füllen könnte, wird dann nur noch im Nebensatz erwähnt.

Es stimmt, Prometheus - Dunkle Zeichen schließt nicht komplett an Alien an, zu viele Dinge passen noch nicht zusammen, zu groß sind noch die Widersprüche. Der Grundstein für eine erfolgreiche Prequel-Serie á la Star Wars (auch wenn der Vergleich nur in punkto Funktionalität angebracht ist, nicht in Hinsicht auf Intention und Qualität - Scott dreht schlicht anspruchsvollere Science-Fiction-Filme als George Lucas) ist hingegen mit Prometheus erfolgreich gelegt. Der Film ist nicht ohne Mängel und im direkten Vergleich ist Alien von 1979 immer noch das bessere Werk, aber Prometheus ist ein unterhaltsamer Film, nie langweilig, manchmal gar brillant und nimmt vor allem sein SF-erprobtes Publikum ernst. Im Gegensatz zu Scotts Zukunftsvisionen ist etwas wie Star Wars oder das neue Star Trek-Franchise nur ein besserer Kindergeburtstag.

In der letzten Woche des Jahres 2093 landet die 17-köpfige Crew des Forschungsraumschiffes Prometheus nach über zwei Jahren Flugzeit auf dem entfernten Mond LV-266, auf dem sich die Wissenschaftler Shaw (Noomi Rapace, die originale Lisbeth Salander aus Verblendung) und Holloway (Logan Marshall-Green) die Antwort auf die Frage nach dem Woher? der Menschheit erhoffen. Höhlenzeichnungen auf der Erde ließen darauf schließen, dass die Menschheit einst von Außerirdischen kreiert wurde und sie die technisch nun entwickelten Menschen mit den Zeichnungen auf den fernen Trabanten einladen. Tatsächlich landet man quasi direkt vor einer fremdartigen Pyramide, in deren Innern aber alles tot erscheint. Doch wie so oft täuscht der erste Eindruck und spätestens als einer der dümmsten Biologen der neueren Filmgeschichte seinen großen Auftritt hat, ist jedem klar, dass die Pyramide alles andere als tot ist. Und auch die Erkenntnis, dass das Wort "Einladung" im Hinblick auf die Höhlenzeichnungen vielleicht nicht allzu glücklich gewählt war, kommt zu spät…

Ridley Scott ist ein meisterhafter Bildregisseur. Von der ersten Minute an, in der die Kamera über kargen Landschaften (gedreht auf Island) schwebt bis zu dem Interieur des außerirdischen Raumschiffs, dessen H.R. Giger-Look scheinbar niemals seine Wirkung verfehlt, bietet uns Scott hervorragend komponierte Filmbilder. Selbst das 3-D-Format wird intelligent eingesetzt, um die Räume zu erweitern und zeigt wieder einmal den kolossalen Unterschied zwischen "echtem" 3-D (also Filmen wie Prometheus, die von vornherein mit 3-D-Kameras gedreht wurden) und nachträglich errechnetem 3-D auf. Einzig in der Titelsequenz stören die eingeblendeten, greifbaren Credits massiv die überwältigenden Naturbilder, aber das ist im Großen und Ganzen vernachlässigbar.
Prometheus sieht hervorragend aus; die Entscheidung, Sets zu bauen anstatt komplett auf den Computer zu vertrauen ist immer zu begrüßen. Handwerklich ist nichts zu beanstanden, inhaltlich schon.

Eine der größten Stärken der Alien-Filmreihe ist, dass dem Zuschauer die Protagonisten nicht egal sind. In Alien hat jeder von ihnen eine Persönlichkeit, die Beziehungen untereinander sind dynamisch und man will schlicht nicht, dass sie als Alien-Beute enden. Aliens - Die Rückkehr schaffte es danach, einem Trupp Soldaten, sonst gern und oft nur als austauschbares Kanonenfutter dargestellt, menschliche Gesichter zu geben. Marines durften weinen, betteln, flehen und verzweifeln im Angesicht eines unberechenbaren Feindes - ziemlich viel für einen Haufen "harter Kerle". Alien 3 watete mit einer ganzen Armada von potenziellen Figuren in Form der vom Alien tyrannisierten Strafgefangenen auf und gab hier einigen, wenn auch nicht allen, eine Persönlichkeit. Am nächsten an Prometheus ist Alien - Die Wiedergeburt mit seinen Archetypen, die im Großen und Ganzen ähnlich farblos bleiben wie die Crew auf LV-266. Allein die Anzahl - 17 (!) - ist ein unmissverständliches Zeichen: die allermeisten sind nur hier, um zu sterben. So gibt es eine Sequenz, die ohnehin eher den Anschein hat, als wäre sie nicht aus dramaturgischen Gründen geschrieben worden, in der eine ganze Gruppe von vorher nicht in Erscheinung getretenen Crewmitgliedern von einem reanimierten Geologen niedergemetzelt werden. Die Sequenz ist sinnlos und erhöht lediglich die Anzahl der verzeichneten Leichen. Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob wir eine Figur wie Kane in Alien erst kennenlernen und dann mit ansehen müssen, wie etwas aus einer Brust herausbricht, oder ob vier namenlose und hinter Helmen versteckte Techniker sterben. Dermaßen inflationär bei gleichzeitiger Nicht-Charakterisierung ging noch kein Film aus dem Alien-Universum mit seinen Figuren um.

Gänzlich anders nutzt Prometheus zudem den filmischen Raum. In Alien war die Nostromo ein verwinkeltes, düsteres Gebilde, dem man ansah, dass es nicht dazu gebaut wurde, damit Menschen überall in seinem Inneren herumkriechen können; ein klaustrophobischer Albtraum. In Aliens erschien dem Zuschauer der langsam von den Aliens eingenommene Außenposten wie eine terrane Version der Nostromo und das rettende Militärraumschiff Sulaco nebst Shutteln erschien hoffnungslos unerreichbar. Auch Alien 3 und Alien - Die Wiedergeburt konnten mit ihren Settings ein Grundgefühl der Klaustrophobie bei gleichzeitiger Betonung der Größe des Handlungsortes erzeugen. Einen einfachen Ausweg, einen short cut oder gar einen Überblick gab es nie.
Das Raumschiff Prometheus wiederrum landet direkt vor der Haustür der Außerirdischen und es ist nur ein verhältnismäßig kurzer Weg mit ein paar futuristischen Landrovern, um von einem Ort zum anderen zu kommen. Wir wissen stets, wo wir uns befinden (was die Figuren Fifield und Millburn nur noch weiter als bloße Werkzeuge des Drehbuchs entlarvt), selbst im Finale verlieren wir nie den Überblick und irgendwann bewegt sich Shaw so selbstsicher im Innern des außerirdischen Gefährts, als hätte sie nie etwas anderes getan. Das Design und die gekonnt inszenierte Atmosphäre im Innern des Alien-Vehikels sorgen routiniert für eine unheilvolle Stimmung, verloren gehen kann man aber nicht. Scott gibt uns eine recht einfach zu merkende Landkarte an die Hand und verschenkt dabei auch das Potenzial, zumindest das menschliche Raumschiff zu einem interessanten Ort zu machen. Optisch ein gelungener Gegensatz zur dreckigen Funktionalität der Nostromo (die „Reinheit“ der Prometheus-Mission wird im Laufe der Handlung dann auch nicht nur ideell, sondern auch bildlich besudelt, in einer der gleichzeitig intensivsten und angreifbarsten Sequenz des Films) werden die Dimensionen nur in den Anfangssequenzen offenbar, wenn Android David einsam durch das Schiff stromert und die Träume der menschlichen Besatzung im Kälteschlaf dank einer ausgeklügelten (aber auch fragwürdigen) Technik betrachtet.

Das Stichwort Androide darf natürlich in keinem Film mit Alien-DANN fehlen. In Prometheus heißt das Modell David, wird kongenial von Michael Fassbender verkörpert und bleibt bis zum Schluss ambivalenter als jedes seiner filmischen Vorgängermodelle, egal ob sinisterer Ash, heroischer Bishop oder ambitionierte Call. Wenn David zwei Jahre allein über die Prometheus streift, Shaws Träume beobachtet und nach ausgiebigen Filmstudium Peter O’Toole in seiner Lawrence von Arabien-Rolle immer perfekter imitiert, ist das gleichzeitig beunruhigend und grotesk als auch von einer schrägen Poesie.
Fassbender gelingt so die beste schauspielerische Leistung, die man in diesem Film bewundern darf. Noomi Rapace als Shaw ist ebenfalls ein interessanter Charakter, indem sie wie Ripley (Sigourney Weaver) eine starke Frauenfigur portraitieren darf, die zum ersten Mal eine spirituelle Dimension in das Alien-Universum einführt. Sicher, die Strafgefangenen in Alien 3 bekannten sich plakativ zum Glauben, aber Shaw wird als gläubige Christin vor mehr als eine metaphysische Herausforderung gestellt. Dies kann man mit Fug und Recht ebenfalls plakativ nennen (das um den Hals getragenen Kreuz nimmt mehr Deutungsraum ein, als es müsste), verweist aber auch geradezu schnippisch darauf, dass Prometheus zwar eine Erklärung für die Herkunft der Menschheit parat hält, Gott oder eine andere höhere Macht aber konsequent ausschließt bzw. sich einem religiösen Statement entzieht. Shaw wird verletzt, sowohl geistig als auch körperlich, wie ihre Spiritualität diesen Prozess überstehen wird, darauf werden wohl die Fortsetzungen mehr Auskunft geben.

Ansonsten fallen nur noch Idris Elba als Captain Janek und Charlize Theron als Meredith Vickers auf. Ersterer, weil er ganz offensichtlich viel Spaß an seiner Rolle hat und trotz der limitierten Präsenz einen Charakter umreißen kann und Zweitere, weil ihre Rolle grandios daneben geht. Das Drehbuch weiß mit Vickers nicht viel anzufangen, das Konfliktpotenzial zwischen ihr und David wird nie ausreichend ausgeschöpft und ihre Verbindung zu der von Guy Pearce in misslungenem Make-Up dargestellten Figur des Peter Weyland (Alien-Kenner horchen auf) ist derartig vorhersehbar, dass man sich fast dafür schämt, wie sehr der Film die „Enthüllung“ vorbereitet, obwohl der Zuschauer doch bereits durch schlichte Aufmerksamkeit informiert ist. Ansonsten hat Vickers nicht viel mehr zu tun, als im Hintergrund zu stehen, geheimnisvoll zu schauen und kläglich daran zu scheitern, David die Charaktereigenschaften (und Plot-Funktionen) zu stehlen. Ihr Ausscheiden aus der Handlung bekräftigt nur die Annahme, dass man nicht recht wusste, was man mit der Figur anfangen sollte.

Das hört sich nun so an, als gäbe es bei Prometheus mehr zu beanstanden als zu mögen. Dem ist zwar nicht so, aber als Vorgeschichte zu einer filmischen Ikone gerät Scotts Film natürlich unter genauere Betrachtung als der Durchschnitts-Science-Fiction. Auch wenn dem geneigten Film-Freund die Unterschiede und die fehlenden Anschlüsse im Hinblick auf Alien auffallen und das Drehbuch von Damon Lindelof (der bereits die TV-Serie Lost und den Spielfilm Cowboys & Aliens zweifelhaft in Text brachte) zwar Atmosphäre und Begebenheiten beherrscht, in punkto Dialoge aber größtenteils gnadenlos versagt, so kann man Prometheus doch attestieren, dass er sich trotz des Erwartungsdrucks hervorragend schlägt. Als eigenständiger Film ist er den Ticketpreis wert, als Mitglied im Alien-Universum (von dem an dieser Stelle die unsäglichen Alien Vs. Predator-Ausgeburten explizit ausgeschlossen werden) macht er Lust auf mehr. Wenn Ridley Scott Prometheus zu einer Prequel-Trilogie ausbaut, so hat er mit Prometheus – Dunkle Zeichen einen respektablen Start vollführt. Handwerklich atemberaubend, spannend und trotz Lindelofs Dialogen nicht dumm lässt Prometheus zwar einiges vermissen, aber gibt dafür auch einiges. Und wenn es nur zwei sinnvoll verbrachte Kinostunden sind.




IMDB-Eintrag

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