MITTEN IN DEUTSCHLAND: NSU
Deutschland 2016
Dt.
Erstaufführung: 30.03./04.04/06.04.2016 (TV-Filme)
Regie: Christian
Schwochow/Züli Aladag/Florian Cossen
(Die folgenden
Kurzbesprechungen zu den drei Filmen der Reihe Mitten in Deutschland: NSU wurden vorab auf letterboxd veröffentlicht.)
DIE TÄTER - HEUTE IST NICHT ALLE TAGE
Der erste von
drei Filmen über den rechtsextremen Terror, der 2011 als sogenannter
„Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) bekannt wurde, ist gleich ein großer
Griff ins Leere. Angefangen mit der fragwürdigen formalen Entscheidung, den
Reigen mit den Tätern zu beginnen, bietet der Film darüber hinaus nicht viel
mehr als das übliche rechte Gruselkino á la „Kriegerin“. Eine fahrige
Wackelkamera soll Authenzität vermitteln, wenn das Nazitrio Stichworte
abfeuert, sich immer wieder von völkischer Musik aufgeilen lässt oder – daran
haben Neonazifilme augenscheinlich ein besonderes Interesse – unfotogenen Sex
hat. Dabei ist der Film gar nicht an irgendetwas jenseits des altbekannten
interessiert. Da er gleich zu Beginn klar macht, sich sehr viel mehr als Spielfilm
denn als dokumentarisch angehauchte Aufarbeitung zu verstehen, erzählt er
spekulatives über das arme, schlichte, verführte Mädchen Beate Zschäpe, die in
den Wirren der Wendezeit an die falschen Typen gerät und eigentlich mal eher
politisch links zu verorten war. Da Zschäpe, wie es sich für eine
08/15-Dramaturgie gehört, als menschlicher Ankerpunkt für den Zuschauer
fungiert, redet der Film, bei aller Drastik einzelner Szenen (episodenhaft
werden Mütter mit Babys bedroht, Fußgelenke gebrochen und Zähne ausgeschlagen),
rechte Gesinnung ein Stück weit klein - die beiden dumpfen Uwes als die Verführer.
Der Film mag ja
laut Aussagen von Szeneaussteigern den Weg ins rechtsextreme Milieu recht
akkurat darstellen, aber eben weil der Film so sehr Spielfilm ist, oft geradezu
in den Darstellungen angespannter Körper schwelgt, offenbart er auch, dass
seine Zeit noch nicht gekommen ist. Wer exemplarisch den Weg in eine
mörderische, rassistische Gesellschaft zeigen will, der wäre hier mit einem
gänzlich fiktiven Werk wohl besser aufgehoben. So werden Vermutungen und
Spekulationen, die eigentlich erst im noch laufenden Verfahren gegen Zschäpe
aufgearbeitet werden sollen, durch die Macht des Films zu Wahrheiten. Die Täter – Heute ist nicht alle Tage
spielt damit auch der Überlebenden des Trios in die Hände, die sich den
medialen Sexismus ja schon zunutze machte und sich selbst als „armes Frauchen“
stilisierte. Die richtig Schlimmen, dass sind immer die Anderen. Der Film ist,
obwohl die öffentlich-rechtlichen Sender auch schon differenzierte Dokus zu dem
Thema produziert haben, ein Zugeständnis an ein unterstelltes
Zuschauerinteresse, dass Geschichte nur in fiktionalisierter Form goutieren
kann und will. Quintessenz: der NSU ist (noch) in Dokumentationen besser aufgehoben,
Rechtsextremismus im Film sollte sich von der Legitimation durch derartige
reale Ereignisse ein Stück weit emanzipieren – Strukturen und Mechanismen
lassen sich genauso gut offenlegen, wenn man sich nicht aus einem wie auch
immer gearteten Realitätsanspruchs der Namen realer Täter bedient.
So gibt es in
„Die Täter“ denn auch lediglich eine Sequenz, die auf eine Kraft hindeutet, die
ihm durch solch eine Loslösung hätte gegeben werden können: als im Fernsehen
über die Einschränkung des Asylrechts von staatlicher Seite gesprochen wird,
sind die Neonazis begeistert: „Genau unsere Worte!“ Zu Zeiten, in denen
Rechtspopulisten und Rechtsextreme in ganz Europa einen ungesunden Zulauf
erleben, hätte ein Film mit diesem Sujet durch solche Szenen mehr erreichen können
als durch das episodische Abspielen von widerwärtigen Taten, ausgeübt von
widerwärtigen Menschen.
DIE OPFER – VERGESST MICH NICHT
Der zweite Teil
der Trilogie Mitten in Deutschland: NSU
über die Gräueltaten des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ ist eine einzige
Entschuldigung für den fehlenden Fokus des ersten Teils über die Täter, schon
allein weil er die lange Zeit marginalisierte und kriminalisierte Seite der
Opfer erzählt. Mit einer beängstigenden Beiläufigkeit fallen Urteile wie
„Aufenthalt in den Niederlanden = Drogenhandel“ oder Nebensätze wie „Ohne
Hakenkreuze keine Nazis“, die eine rassistisch geprägte Engstirnigkeit der
Behörden offenbart, die das dadurch verursachte Leid der Familien mit einer für
einen ARD-Film doch beachtliche Intensität erfahrbar macht. Die Opfer macht wütend, so einfach ist
es.
Exemplarisch an
der Familie des ersten Mordopfers, des Blumenhändlers Enver Simsek, erzählt,
schildert der Film lange Jahre der Verdächtigungen, Anschuldigungen, geradezu
monströsen Manipulationsversuchen und einem nie plakativ werdenden Abfall vom
Glauben an die deutschen Behörden. Die am Ende geäußerte Entschuldigung eines
gegen Windmühlen kämpfenden Mitarbeiters wirkt an diesem Punkt wie ein denkbar
schwacher Trost. Es ist ein Kampf Davids gegen Goliath, obwohl Goliath doch
eigentlich zum Schutz dieses Davids da sein sollte.
Filmisch mitunter
auch etwas zu sehr auf eine pseudo-authentische Wackelkamera setzend und an
einer entscheidenden Stelle eine unpassenden Schnitt setzend (vgl. Blood Diamond) inszeniert Regisseur Züli
Aladag aber insgesamt konzentriert, emotional ohne ins melodramatische abzudriften
und weiß vor allem seine engagierten Darsteller gut in Szene zu setzen. Vor
allem Almila Bagriacik ist großartig in ihrem ewigen Wechsel – mal spaßige Schwester,
mal emotionaler Punchingbag für die Mutter, mal großartig selbstbewusst
(„Sprechen Sie deutsch?“ – Natürlich. Sie auch?“), mal so am Rande des
Zusammenbruchs, als wäre der Zuschauer mit ihr in einem Raum, inmitten der
Situation.
Die Opfer ist ein hervorragender Film,
der das Spielfilmformat auch sehr viel sinnvoller zu nutzen weiß als Die Täter. Während der eine nichts über
die Mechanismen des Hasses erzählen kann, erzählt der andere alles über die
Mechanismen der Trauer und des Verlustes. Es ist ein respektvoller Film
(erwähnenswert ist auch, dass er nicht alle Passagen in türkischer Sprache
untertitelt – Familienalltag ähnelt sich doch überall frappierend und bedarf
keiner Übersetzung), sehr viel besser als man erhoffen durfte. Er stellt den kalten
Fakten und auch dem kalten Hass etwas entgegen, dass allzu oft in Geschrei,
Hysterie und Angst untergeht: menschliche Empathie.
DIE ERMITTLER – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH
Als Abschluss der
Spielfilmbearbeitung der NSU-Morde steht Die
Ermittler, ähnlich wie die involvierten Protagonisten, zwischen den
Stühlen. Er ist nicht so nichtssagend wie Die
Täter, aber auch bei weitem nicht so involvierend wie Die Opfer. Er besitzt die der Thematik angemessene Konzentration,
verfängt sich aber filmisch immer wieder in allzu plakative Stilgriffe, dem
„provozierenden“ Blickes Beate Zschäpes direkt in die Kamera von Die Täter nicht unähnlich. Dialoge
wirken hölzern, die Verknüpfung mit lyrischem Kulturgut arg bemüht, die
dramaturgische Entscheidung, einen Teil des Films quasi in einem „exposition
dialogue“ Revue passieren zu lassen, holprig.
Von großer
Schlagkraft ist aber auch hier die Beiläufigkeit, mit der Ungeheuerlichkeiten
illustriert werden: der Tatort, der willentlich so rüde behandelt wird, dass er
zu nichts mehr zu gebrauchen ist, die Vernichtung von Akten in trostlosen
Kellerräumen, die Verbindung von Staatsschutz und Neonazis. Vieles wirkt zwar
wie eine Degeto-Version eines Agententhrillers, eine filmische Entsprechung
einer Fleißarbeit, der die persönliche Nähe von Die Opfer abgeht, doch wenn am Ende ein Zeuge auf mysteriöse Weise
stirbt weist der Film auch darauf hin, dass er zum jetzigen Zeitpunkt wohl nur
der fragmentarischste Beitrag zur Trilogie sein kann.
Hass ist ebenso
real wie Trauer, das kolossale Versagen der Behörden dürfte durch eine
geschickte Verschleierungstaktik wohl noch lange auf eine vollständige
Aufarbeitung warten müssen – wenn sie denn jemals gänzlich zu Ende geführt
werden kann.
Die Ermittler ist trotz der Brisanz
seines Sujets, trotz Ausbrüchen von Nazigewalt und einigen Einstellungen, die
einen gewissen Kunstwillen erkennen lassen (der Ausflug in die Welt von Eyes Wide Shut muss dennoch als nicht
gänzlich gelungen bewertet werden), der nüchternste Film der Reihe. Zwischen
den anderen Teilen, zwischen völkischem Gruselkabinett und menschlicher
Aufrichtigkeit, versucht er sich an einer Objektivität, die in ihrer Gänze
einerseits durch das laufende Verfahren noch nicht hergestellt werden, zum
anderen wohl erst danach einen Spielfilm dieses Kalibers entstehen lassen kann.
Die Ermittler – Nur für den
Dienstgebrauch ist ein Justizthriller, dessen Verhandlungspunkt gerade noch
von der Justiz mühsam bearbeitet wird. Es wird spannend sein, ihn in vielleicht
zehn, zwanzig Jahren noch einmal herauszukramen.
Abschließende Gedanken zur gesamten
Trilogie: Gut gemeint und zumindest partiell gut gemacht. Am Ende erweist
sich die Menschlichkeit als der stärkste Faktor in diesem Reigen, was eine
zumindest etwas tröstliche Note hat. Züli Aladag hat den besten Film
abgeliefert, Christian Schwochow den schwächsten. Das Nazi-Problem bleibt in
Deutschland nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch im Film bestehen, dafür
marginalisiert man ausnahmsweise nicht die Opfer. Filmisch hätte alles noch
schlimmer kommen können, doch das Gefühl bleibt, dass die Zeit noch nicht ganz
reif ist, das Thema NSU sinnstiftend im Spielfilm zu behandeln. Ein
interessanter, nur zu einem Drittel wirklich erfolgreicher Ansatz, der immerhin
als Aufhänger für Diskussionen gut sein könnte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen