DER GENERAL
(The
General)
USA 1926
Dt.
Erstaufführung: 04.04.1927
Regie: Buster
Keaton und Clyde Bruckman
Diese Besprechung
ist Teil der Adventsaktion „Wünsch dir ein Review!“ und wurde von Annika von Die Filme, die ich rief gewünscht.
Die moderne
(westliche) Filmwelt gibt vor, nur das Neue zu wollen, ihm zu huldigen und in
seinem Optimierungswahn ja auch nur den Willen des Publikums zu befriedigen.
Internetkommentare geben dieser Auffassung (scheinbar) Recht, wenn Filme, die
keine 15 Jahre alt sind als antiquiert bezeichnet werden oder sich das Wissen
um die Originale zu der Flut der Remakes und Reboots bestenfalls in Grenzen
hält. Dabei war die Dichte genuiner Stoffe wohl noch nie so gering wie
momentan, gerade Hollywood kannibalisiert sich zusehends. Filme werden neu
aufgelegt, oft ohne tiefere (Er-)Kenntnis der Vorlage, nur, um vom bekannten
Namen zu profitieren. Und wenn etwas nicht von vornherein als epischer
Mehrteiler angelegt ist, glitzern die Augen der Marketingstrategen gar nicht so
schön. Inmitten all des kreativen Ausverkaufs wird man vor allem der
Unehrlichkeit gewahr, denn hinter der ständigen Neuauflage steckt, zumindest
zum Teil, auch der Wunsch nach dem Erzählen zeitloser Geschichten – und daran
ist rein gar nichts auszusetzen. Es ist keine tiefschürfende Erkenntnis, dass
Geschichten und Figuren immer wieder vorkommen, in allen medialen
Inkarnationen, weil sie den Menschen etwas Elementares erzählen – und wenn es
nur das Nachkommen des Wunsches ist, rasant unterhalten zu werden. Redet man
von den besten Actionfilmen, werden einige Titel immer wieder, meist zu Recht,
genannt: Stirb langsam, Speed, Die sieben Samurai, Aliens –
Die Rückkehr, Mad Max – Der
Vollstrecker und seit 2015 auch Mad
Max: Fury Road. Buster Keatons 1926 entstandener Stummfilm Der General gehört nun definitiv auch in
diese Reihe und sollte sich ein Regisseur dazu berufen fühlen, einen ähnlichen
Film zu drehen, dann doch bitte eine Hommage und kein Remake, dass letztlich
nur vom Namen profitieren möchte. Denn wer käme schon auf die Idee, Keaton
beerben zu wollen?
Während des
amerikanischen Bürgerkriegs stehlen abtrünnige Südstaatler die Lok „Der
General“, um damit die Versorgungswege zu kappen und dem Norden so einen
strategischen Vorteil zu verschaffen. Doch sie haben nicht mit Lokführer Johnny
(Buster Keaton) gerechnet, der den Diebstahl seiner ersten großen Liebe [die
zweite wäre Annabelle Lee (Marion Mack)] nicht tatenlos hinnehmen kann und die
Verfolgung aufnimmt. Es entbrennt eine Verfolgungsjagd hinein in den Norden und
wieder zurück, von einer vertrackten Situation in die Nächste.
Kinetik war und
ist bis heute das Zauberwort, wenn man von Actionfilmen redet. Es liegt in der
Natur der Sache, den Zuschauer mitreißen zu wollen. Vergleicht man Der General mit den modernen Ablegern
des Genres (und ich denke hier an die generischen Vertreter wie z. B. die Transporter-Filme) wirkt er geradezu
statisch. Die Einstellungen kommen ohne einen Schnitt alle fünf Sekunden aus,
es gibt Orientierung im Raum, die Inszenierung legt keinen Wert auf
audiovisuelle Verwirrung. Kurz gesagt, es ist eine Wohltat. Und es ist, 89
Jahre nach seiner Entstehung, immer noch höchst unterhaltsam, was Keaton hier
präsentiert. Angereichert mit zeitlosem Humor, dessen Slapstick nicht so
exzessiv wie der von Laurel und Hardy daherkommt und daher, gerade in diesem
Setting, besser wirkt, ist der Film so sehr auf die Verfolgungsjagden der Loks
„General“ und „Texas“ zugeschnitten, dass er sogar mit einem gewissen Leerlauf
zu kämpfen hat, wenn Johnny mal nicht auf Schienen unterwegs ist. Beeindruckend
an den Actionsequenzen ist neben ihrer Kreativität und dem begnadeten Timing
natürlich auch ihre Natürlichkeit. Egal, ob sich die Lok gemächlich durch die
Landschaft bewegt, Keaton bei der Ausübung seiner Kunst während er Fahrt auf
oder vor dem Gefährt zu beobachten hat einen ganz eigenen Charme, dem man sich
schwerlich entziehen kann.
So ist Der General ein sehr unterhaltsamer
Actionfilm, der leider einen leicht bitteren Nebengeschmack hat, weil er seine
politischen Implikationen ziemlich sorglos einsetzt (auch so eine Parallele zum
modernen Genrekino). Es wird eifrig am Mythos des „großen Südens“ gearbeitet,
dessen Ehre (und damit Lebensweise) verteidigt werden muss. De facto zieht der tollpatschig-sympathische
Johnny also für ein System ins Feld, dass an der Sklaverei nichts Verwerfliches
findet. Der General ordnet nichts
ein, für ihn sind die Fronten klar. Das mag man als Blick des 21. Jahrhunderts
auf das Jahr 1926 abtun, sollte aber nicht vergessen, dass nur wenige Jahre
später Chaplin Der große Diktator
vorlegen sollte. Zumal es albern ist, der Vergangenheit kein politisches
Verständnis/Gewissen zuzugestehen. Wohlwollend ist Der General ein Genrefilm, der sein historisches Setting etwas zu
unbekümmert nutzt und sich immer darauf zurückziehen kann, doch nur die wahre
Geschichte des Lokomotivenraubs während des Krieges erzählen zu wollen. Dass
Keatons Johnny im Zweifelsfall ein Befürworter der Sklaverei ist, gibt dem
Ganzen dennoch eine unangenehme Note.
Wenn man über den
politischen Subtext hinwegsehen kann und Der
General als filmhistorisch bedeutsamen Beitrag zum Kino wahrnimmt, so
funktioniert das Werk, das als Keatons persönlichster Film gehandelt wird, nach
wie vor bemerkenswert gut. Rasant, witzig, einfallsreich und sorgfältig
inszeniert gehört Der General
definitiv zu den großen Actionfilmen. Wer sich von den Labels Stummfilm und
schwarz/weiß abschrecken lässt, der beraubt sich selbst einer lohnenden
Filmerfahrung. Wäre der Film in punkto Politik ebenso sorgfältig vorgegangen
wie bei der Inszenierung des Lok-Eskapaden, Der
General wäre noch ein Stück besser geworden. Wobei man sich dies während
der Verfolgungsjagden kaum vorstellen kann.
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