Sonntag, 20. Dezember 2015

Dellamorte, Dellamore (1994)




DELLAMORTE, DELLAMORE
Italien 1994
Dt. Erstaufführung: 10.09.1999 (DVD-Premiere)
Regie: Michele Soavi

Diese Besprechung ist Teil der Adventsaktion „Wünsch dir ein Review!“ und wurde von Peter Schneider von Mostly Movies gewünscht.

Der italienische Horrorfilm, irgendwo zwischen genuinen Giallo, schamlosem Rip-Off und Pseudo-Fortsetzung, ist immer für eine Überraschung gut. So ist Dellamorte, Dellamore beileibe nicht der übliche 08/15-Zombiefilm, den man zunächst mit dem Genreoutput des europäischen Landes assoziiert. Gestaltungstechnisch bekommt der Zuschauer hier einiges geboten, der Film ist visuell und in diversen Details sehr einfallsreich und mit sichtlichem Elan inszeniert. Leider ist er zudem wirr und setzt mit fortschreitender Laufzeit immer mehr auf in der Luft hängende Grotesken, so dass er nicht imstande ist, das Interesse wach zu halten. Kurz gesagt: Dellamorte, Dellamore entwickelt sich dank seines wenig kohärenten Drehbuchs (was ja nicht einmal eine unabdingbare Voraussetzung für einen Film ist) zu einem ziemlichen Langweiler. Und das ist gerade im Hinblick auf den Willen zum Spiel mit Versatzstücken wirklich zu bedauern.

Franceso Dellamorte (Rupert Everett) ist Totengräber und Friedhofswärter in einer kleinen italienischen Gemeinde, in der die Toten sieben Tage nach ihrem Ableben wieder auferstehen. Manche sind hirnlose Zombies, andere können sprechen und denken und sich an ihr vorheriges Leben erinnern – notfalls auch ohne Körper. Seine Aufgabe sieht Francesco darin, sie endgültig ins Jenseits zu befördern, unterstützt wird er dabei von seinem tumben Gehilfen Gnaghi (François Hadji-Lazaro). Als Francesco sich in eine trauernde Witwe (Anna Falchi) verliebt und sie beim Sex mit ihm auf dem Friedhof von einem Zombie angenagt wird, verfällt der Totengräber zusehends in eine Sinnkrise, die ihn nach und nach immer weiter aus der Realität entfernt und ihn Pläne schmieden lässt, seine Tätigkeit als Untotenkiller an den Nagel zu hängen …

Jenseits jeglicher Billigproduktion wartet Dellamorte, Dellamore mit ergebenen Darstellern und sehr gute Effekten auf (besonders ansehnlich ist eine Vision des Todes geraten, die zu Francesco spricht). Für den durchschnittlichen Genrefan gibt es einiges an Gewalt und freizügigen Sex, angereichert ist alles mit einem galligen Humor, der vor allem im ersten Drittel des Films hervorragend funktioniert. Je weiter sich der Film allerdings von einer zusammenhängenden Erzählung entfernt und zusehends nur noch traumartige Sequenzen aneinanderhängt, umso uninteressanter wird das Ganze. Irgendwann ist der Film nur noch eine Entschuldigung für blutige Effekte. Ich kannte mal einen Menschen, für den das einzige Qualitätsurteil die Anzahl der Toten in einem Film war und ob sie möglichst graphisch zu Tode kommen. Je länger Dellamorte, Dellamore läuft, desto mehr wird er zu einem Film, der diesem „Cineasten“ gefallen hätte – egal, ob das Ganze dramaturgisch notwendig ist oder nicht.

Dellamorte, Dellamore ist ein seltsamer Versuch, dass Zombiegenre mit einer Art Fantasy-Arthouse zu kreuzen. Die zusehends traumartige Gestaltung und Verhaltensweise der Figuren haben zwar einen ganz eigenen Charme, aber die vielen Elemente kommen nie ganz zusammen. Was als Offbeat-Charmeur beginnt verheddert sich in weitestgehend langweilige Eskapaden, was auch an dem recht unsympathischen Hauptcharakter liegt. Schwerlich lassen sich für Francesco so etwas wie echte Gefühle entwickeln, selbst eine schicksalshafte Enthüllung wird ziemlich emotionsfrei gehandhabt. Der Film vertraut so sehr auf seinen schwarzen Humor und seine morbiden Effekte, dass er das menschliche Element darüber hinaus weitestgehend vergisst. Es bleibt dabei: so sehr man Dellamorte, Dellamore mögen möchte, eben weil er die ausgetretenen Pfade verlässt und vor allem mit einem Ende gesegnet ist, dass in einem Film mit sicherer tonaler Gestaltung ein echter Knaller gewesen wäre, siegt doch die Gestaltung so sehr über den Inhalt, dass man ihn eher respektiert als aktiv mag. Technisch ist an Dellamorte, Dellamore nicht auszusetzen. Wenn das Drehbuch seinen Pfiff der ersten – sagen wir – dreißig Minuten durchgehend hätte bewahren können, der Status als Kultfilm wäre auch jenseits des Versuchs, mit dem Zombiemotiv etwas anderes anzufangen, gerechtfertigt gewesen. Und wer eine Genrefilm zum analysieren sucht (Dellamorte, Dellamore scheint genug Anhaltspunkte zu bieten, um ihn beispielsweise als Kommentar zum italienischen Faschismus zu lesen), der ist mit Produktionen wie Pontypool besser bedient.


 

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