KINGSMAN – THE SECRET SERVICE
Großbritannien/USA
2014
Dt.
Erstaufführung: 12.03.2015
Regie: Matthew
Vaughn
Mark Millar
schreibt furchtbare Comics.
Ja, es musste in
aller Deutlichkeit gesagt werden. Wieder einmal. Denn auch der Überraschungshit
Kingsman basiert auf einer von ihm
geschriebenen Geschichte und wie der unsägliche Kick-Ass 2 (der erste Teil ist im Vergleich noch sehenswert) und
der beeindruckend dumme Wanted ist
dies eine Verschwendung von Talent, Ressourcen und Zeit. Reaktionär,
kleingeistig und – zur „Würzung“ im rechten Moment – „ironisch-sexistisch“ ist Kingsman einer der bisher schlechtesten
Filme des Jahres. Viel Geld einzuspielen ist eben kein Kriterium.
Um eine alte
Schuld wiedergutzumachen rekrutiert der Gentleman-Agent Galahad (Colin Firth)
den Proletarier Eggsy (Taron Egerton), um ihn bei den „Kingsmen“, einer – wie
könnte es anders sein – strenggeheimen Vereinigung unterzubringen, die im
Verdeckten turnusmäßig die Welt rettet. Und gerade als der vorgebliche Philanthrop
Richmond Valentine (Samuel L. Jackson) mit einem kruden Plan die Menschheit zu
Gunsten des Planeten fast vollständig ausradieren will, kann Eggsy zeigen, was
er kann.
Gar nicht so tief
unter seiner Oberfläche schlummert in Kingsman
eine süffisante Agentenfilmparodie. Der Plan des Facebook-Moguls Marc
Zuckerberg nachempfundenen Velntine ist derartig wahnwitzig und obskur, dass
er, auch und gerade wegen seiner planerischen Plotholes, sofort als
parodistisches Element zu durchschauen ist. Das gleiche gilt für die satirischen
Bestandsteile – ein Schelm, wer böses dabei denkt, dass das Ende der Menschheit
durch einen Internetmilliardär und dessen vermeintlich saubere und freundliche
Technik ausgelöst werden soll. In seinem Größenwahn ist dies der Stoff, aus dem
schon in den 1960er Jahren Pulp-Antagonisten geboren wurden. So weit, so schön.
Doch schnell wird
gewahr, dass es hier weniger um die genüssliche Dekonstruktion von
Genre-Klischees geht, sondern um das Abspielen der altbekannten Exzesse, die
schon Wanted oder den ähnlich hohlen Shoot `em up kennzeichneten. Kingsman labt sich an seiner Gewalt,
bleibt stets auf der Ebene eines unreflektierten Cartoons, präsentiert „coole“
Gefechte, die dem menschlichen Körper nicht gut tun und redet sich damit
heraus, dass es ja nur die bad guys
trifft. Wenn sich Colin Firth durchaus beeindruckend choreographiert durch den
Mob einer Hate Church kämpft, dann
trifft es in der Logik des Films selbstredend nur „die Richtigen“, das
weiterreichende satirische Element wie in dem von der Intention ähnlich
gelagerten God Bless America geht
verloren (dabei ist diese Szene im Gegensatz zum Comic noch „entschärft“, weil
es Rassisten und Homophobe trifft und nicht die Teilnehmer einer
Massenhochzeit). Es sind weniger die Gewaltdarstellungen an sich sondern der
Umgang damit, denn anders als beispielsweise Quentin Tarantino weiß Vaughn
seine Exzesse in keinerlei Kontext zu setzen.
Wer moderne
Actionfilme wegen ihrer Nichtachtung menschlichen Lebens kritisiert, der wird
in der Welt von Mark Millar wie auch ihrer filmischen Interpretationen keine
Freude haben, auch wenn alles unter dem Deckmantel der Parodie stattfindet. Die
Frage ist nur, was genau parodiert werden soll, denn derartig explizite Gewalt
gehörte nie zum Fundus der James Bond-Filme, die materialbedingt das
Hauptangriffsziel von Kingsman sind.
Und selbst wenn man dies verzeihen mag – es ist einfach weder unterhaltsam noch
witzig, manchmal ist es regelrecht unangenehm. So gibt es, zur primitiven Befriedigung,
gegen Ende eine von Valentine initiierte weltweite gewalttätige Enthemmung und
nur weil es dem Protagonisten beispielsweise gelingt, ein Kleinkind vor dem
Zugriff seiner rasenden Mutter zu bewahren, bedeutet das nicht, dass in diesem
Tumult nicht sehr viele unschuldige Menschen sterben. Im Dienste der seichten
Unterhaltung wird also quasi der gesamte Erdball traumatisiert und anders als
beispielsweise der (gute) Zombiefilm interessiert sich Kingsman nicht im Geringsten für die Auswirkungen. Viel wichtiger
ist es, dass der Held von der schwedischen Kronprinzessin mit einer
Analsex-Ausübungserlaubnis belohnt wird. WTF?!
So laviert sich
der Film in erster Linie durch eine inhaltliche Ödnis, die erstaunlich ist. Mit
Ausnahme einiger weniger visueller Zitate wird viel auf James Bond verwiesen,
ohne auch nur einmal das charmante Moment zu erreichen, wenn Daniel Craig sich
in Casino Royale nicht für die
Zubereitung des berühmten Martinis interessiert. Ansonsten gibt es die
Genrestandardsituationen, die kaum gebrochen werden. Interessant wird Kingsman nur, wenn Samuel L. Jackson mit
sichtlicher Freude seinen lispelnden Schurken gibt, der zwar Menschen töten
lässt, aber kein Blut sehen kann – nicht einmal sein eigenes. Ansonsten ist der
Film trotz seines Bombasts seelenlos und dementsprechend wenig involvierend.
Zusammen mit den
bereits erwähnten Elementen ergibt dies ein Konglomerat des Scheiterns, sowohl
als Actionfilm wie als Komödie, zumal sich zu dem „coolen“ Zynismus auch noch
eine entmündigende Haltung gegenüber den Menschen offenbart, die nicht zu dem
reichlich verkommenden System „Kingsmen“ gehören. Wie erwähnt, die Menschen
werden traumatisiert, aber am Ende zählt ausschließlich die Psyche der Elite,
repräsentiert durch den protegierten Eggsy. Da hilft es auch nicht, wenn man
vorher Korruption und Egoismus der herrschenden Eliten buchstäblich in die Luft
sprengt. So taugt Kingsman auch nicht
als Anstoß eines politischen Diskurses, weil er, anders als beispielsweise der
ebenfalls dem Comic entsprungene V wie
Vendetta, sich jenseits der affektiven Ebene nicht für Politik
interessiert. In einer Welt, in der gerade der satirische Blick auf den
glorifizierenden Agentenfilm viel Material anbietet, ist Kingsman schlicht zu kurz gegriffen.
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