INTERSTELLAR
USA 2014
Dt. Erstaufführung: 06.11.2014
Regie: Christopher Nolan
Dt. Erstaufführung: 06.11.2014
Regie: Christopher Nolan
Das der
Platz des Menschen im Universum mit den Mitteln des Films versucht wird zu
verhandeln, ist ein konstantes, wenn auch relativ seltenes Ereignis im
Science-Fiction-Genre. Die Filmart, die für viele lediglich mit dem Eskapismus
des Star Trek und Star Wars-Franchises assoziiert wird,
ist zu beachtlichen Leistungen fähig, wenn sie sich an die großen Fragen wagt,
die interstellare Reisen zwangsläufig aufwerfen. Es sind Konzepte, die weit
über das eigentliche menschliche Verständnis hinausreichen und vielleicht ist
darin der Grund zu suchen, warum außer den großen Namen wie 2001 – Odyssee im Weltraum und Contact sich so wenige Genrefilme mit
ihnen beschäftigen – die Prämisse ist nicht gerade der Garant für einen völlig
konsequenzlosen, rein unterhaltenden Filmabend. Interstellar macht da keine Ausnahme, es ist ein erwachsener Film,
der weit entfernt ist von den naiv-fröhlichen Weltraummärchen eines George
Lucas. Sieht man ihn als Teil des Dreigestirns der genannten Filme, so muss man
allerdings auch konstatieren, dass er der Schwächste der Drei ist,
hauptsächlich, weil Regisseur und Drehbuchautor Christopher Nolan, der für
Cineasten abwechselnd Messias und Antichrist darstellt, an entscheidenden
Stellen patzt und den berauschenden Bildern auf inhaltlicher Ebene oftmals nur
kruden Mumbo-Jumbo entgegenzusetzen hat. Interstellar
ist ein gestalterisch großartiger Film und es ist schön, dass Nolan normale
menschliche Emotionen nun endlich für sich entdeckt hat, aber die Reise an die
Grenzen der menschlichen Erfahrungen hinterlässt ob ihrer nur behaupteten Tiefe
einen schalen Beigeschmack.
In naher Zukunft ist die
Menschheit dem Untergang geweiht: die natürlichen Ressourcen gehen zur Neige,
Sandstürme fegen immer wieder über die Länder, der Anbau von Nahrungsmitteln
wird immer schwieriger und selbst ehemalige Ingenieure müssen sich als Farmer
verdingen, um den Bedarf zu decken. Einer von ihnen ist Cooper (Matthew
McConaughey), ehemals einer der besten Piloten der NASA und vom stillen Wunsch
beseelt, den Planeten zu verlassen. Die Gelegenheit bietet sich ihm, als eine
Gravitationsanomalie ihn und seine Tochter Murph (Mackenzie Foy) zu einer
geheimen Forschungseinrichtung führt, wo der geschrumpfte Rest der NASA unter
der Leitung von Coopers ehemaligem Mentor Brand (Michael Caine) eine Mission zu
einem augenscheinlich von jemanden gezielt platzierten Wurmloch in der Nähe des
Saturns vorbereitet. Von der Weltöffentlichkeit verborgen sind bereits Menschen
hindurch in eine andere Galaxie geflogen, um dort nach neuen, bewohnbaren
Planeten zu fahnden. Die zweite Mission soll nun die Ergebnisse vor Ort
auswerten und erste Schritte zu einer Kolonialisierung unternehmen. Cooper wird
als Pilot angeworben, lässt seine Familie auf der Erde zurück und begibt sich
auf eine Reise weiter und gefährlicher, als sie je ein Mensch vor ihm
unternommen hat.
Die Prämisse von Interstellar ist atemberaubend und die
Trailer taten einen hervorragenden Job dabei, sie zu verkaufen. Es ist nicht
verwunderlich, dass Nolans Herzensprojekt zu einem der am meisten erwarteten
Filme des Jahres werden sollte. Und zumindest visuell wird er dem Hype gerecht.
Interstellar hat großartige Bilder zu
bieten, einige davon in ihrer Größe und gleichzeitigen Simplizität emotional
ausgenommen wuchtig, die Effekte sind erste Wahl (was man angesichts des
Budgets wohl auch erwarten durfte) und sogar der vielgescholtene Hans Zimmer
kann diesmal wieder mit einem rundum gelungenen Soundtrack überzeugen, der vor
allem in den actionorientierten Sequenzen wohlplatziert ist, ähnlich wie Gravity im letzten Jahr nicht zuletzt
durch die Musik lebte.
Doch so ganz will Interstellar bei aller Wucht nicht
funktionieren. Die liegt vor allem darin, dass Nolan in seinen Charakteren
keine Entsprechungen zu den grandiosen Bildern findet. Die Reise ins All wird
von den recht blassen Figuren hingenommen, kaum ist etwas von ihrer Anspannung
zu spüren, vom Sinn für Wunder, den eine solche Odyssee eigentlich besonders
stimulieren sollte, auch nicht. Dennoch gelingt es ihm diesmal, eine
grundlegende Gefühlsebene zu bedienen, denn einige Szenen sind emotional so
befriedigend ausgefallen, wie man es von Nolan gar nicht gewohnt ist. Das
Schablonenhafte der Figuren reicht an diesen Stellen, um eine Reaktion zu
generieren, tiefer als eine rein beschreibende Oberfläche geht es meistens
nicht, vor allem über Wes Bentleys Figur erfährt man atemberaubend wenig,
während Anne Hathaway einen reichlich seltsamen Charakter mimt, der das
Klischee der irrationalen Frau bedient und der trotz des letztendlich
gerechtfertigten Payoffs dieser Emotionalität nie dreidimensional wird.
Hinzu kommt ein nicht zu
leugnender Drang, dem Zuschauer alles erklären zu wollen. Nolan fürchtet sich
vor einem wirklichen Interpretationsspielraum, wie ihn beispielsweise 2001 an den Tag legte, indem er nicht
krampfhaft versuchte, alles in einen sinnigen Kontext zu bringen. Stanley
Kubricks Film ist schon allein deshalb zeitlos, weil er dem Publikum eine
individuelle Interpretation des Gesehenen nicht nur anbietet, sondern
regelrecht abverlangt. Interstellar
hat dafür viel zu viel Furcht vor der Leerstelle, vor dem, was jeder Zuschauer
aus dem Film machen könnte – oder eben nicht. Um ja niemanden zu verwirren,
verabreicht der Film brav Erklärungen, wenn sie gebraucht werden und versucht
durch allerlei Techno-Palaver, wie es die Crew des Raumschiffs Enterprise nicht besser hätte aufsagen können, eine Art
wissenschaftliche Legitimität aufzubauen. Wie viel davon (theoretischer) Fakt
und was Fiktion ist, ist schwer zu sagen, denn es reicht Interstellar voll und ganz, sich im Vagen, im Ungefähren zu bewegen
und dies als ausreichend zu verkaufen. So findet alles innerhalb der Narrative
eine Begründung, eine Auflösung, und sei sie noch so vorhersehbar (das Rätsel
um die Macht, die das Wurmloch „platziert“ hat, ist besonders plakativ und
dürfte nicht nur für Genrefans ziemlich leicht lange vor Filmschluss zu erraten
sein). So wird Interstellar auf
dieser Ebene nichts Halbes und nichts Ganzes, weil er einerseits die
Interpretation zu sehr fürchtet, zum anderen gleichzeitig zu hanebüchene und
einfach zu verstehende Erklärungen anbietet. Strukturell ist Interstellar genau der richtige Film für
Leute, die meinen, Inception wäre ein
extrem verschachteltes, schwierig zu verstehendes Werk oder denen die Symbolik
in The Dark Knight Rises nicht
plakativ genug war.
Interstellar ist zudem an entscheidenden Stellen zu kurz und
schafft es trotzdem, 2 ½ Stunden Laufzeit in die Waagschale zu werfen.
Entscheidungsfindungen werden abgekürzt, eine ganzheitliche Betrachtungsweise
konsequent ausgeblendet (man sieht ausschließlich die USA im Niedergang und
auch die Mission ins All ist eine reine NASA-Angelegenheit und nicht etwa eine
Teamangelegenheit wie die Erdverteidigung im unterschätzten Pacific Rim) und für einen Film, in dem
das Konzept der Zeit eine sehr wichtige, ja zentrale Rolle spielt ist der Film
nicht gut darin, das Vergehen selbiger erfahrbar zu machen. Auch hier bleibt
der Film sehr oberflächlich, von der Weigerung einer globalen Schildrung der
Menschheitssituation ganz zu schweigen (MRTs wurden abgeschafft? Bitte?).
Was bleibt? Interstellar verfehlt auf jeden Fall sein Ziel, in die Fußstapfen
der großen Vorbilder zu treten, dafür ist er inhaltlich zu unausgegoren und
schielt zu sehr auf eine unbedingte Befriedigung möglichst vieler
Zuschauererwartungen, anstatt das Risiko eines wirklich herausfordernden Films
zu suchen. Interstellar ist ein
Mainstream-2001, auch wenn er
selbstredend immer noch weit entfernt von den Spaß-Science-Fiction-Welten eines
Star Trek-Reboots ist. Doch der Film
geht zu sehr auf Nummer Sicher, sonnt sich etwas zu sehr in der Gewissheit,
zumindest mehr Gesprächsstoff als die nächstbeste Space Opera zu bieten und
bleibt so hinter seinen Möglichkeiten zurück. Interstellars handwerkliche Qualität ist teilweise atemberaubend,
sein Inhalt wird der Prämisse und vor allen den geschürten Erwartungen nicht
gerecht. Die Zeit wird, ähnlich wie beim von der Intention ähnlich gelagerten Tree of Life, zeigen, ob Nolans love child auch im Hinblick auf die
starke Konkurrenz von Zemeckis und Kubrich das Zeug zum Klassiker hat.
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