ROOM 237
USA 2012
Dt. Erstaufführung: 19.09.2013
Regie: Rodney Ascher
Dt. Erstaufführung: 19.09.2013
Regie: Rodney Ascher
Muss ich eine Art Disclaimer dieser
Besprechung voranstellen? Muss ich all jenen, die Room 237 in allen Aspekten für bare Münze nehmen, wirklich sagen,
dass ich mit keiner der im Film geäußerten Theorien zur Interpretation von
Stanley Kubricks Shining
übereinstimme? Dass ich nicht glaube, Kubrick würde beispielsweise
verklausuliert seine Beteiligung an der Fälschung der Mondlandung in der
Stephen-King-Verfilmung zugeben? Muss das wirklich sein? Natürlich kann man Room 237 und alles, was er erzählt,
lächerlich finden, aber das bedeutet nur, dass man den Kern des Films nicht
ganz erfasst hat. Denn es geht hier nicht darum, die eine oder die andere
Sichtweise zu bestärken oder zu entkräftigen, den Zuschauer für irgendeine der
Interpretationen zu gewinnen oder aus Shining
wirklich zu einen Film mit einer tief verborgenen Agenda zu machen. Vielmehr geht
es um etwas, mit dem sich jeder beschäftigt, der über Filme schreibt,
nachdenkt, publiziert: um die Analyse. Gerade die akademische Filmanalyse ist
stets bestrebt, Querverweise und „versteckte“ Informationen zu finden, Filme
also nicht nur rein oberflächlich zu betrachten. Room 237 präsentiert nun einige der besonders abgedrehten
Sichtweisen auf den einstmals verkannten Horrorfilm, von denen einige durchaus,
auch dank der suggestiven (und hervorragenden) Montage durchaus für sich
genommen Sinn ergeben. Anderes wiederum ist herrlich absurd und das in einem
Maße, dass Room 237 100 Minuten
gekonnt unterhält.
Allein der obige Absatz bekräftigt nur den Wert von Room 237 als Abhandlung über die
irrwitzigen Abwege, die Filmanalyse nehmen kann. Denn auch meine Sichtweise ist
letztlich nur eine Interpretation dessen, was Regisseur Rodney Ascher mit seiner
Dokumentation bezwecken wollte. Im Film selbst erfährt man nun einiges über Shining als Metapher für die Gräuel des
Zweiten Weltkrieges, die Vernichtungslager der Nazis. Oder als Abhandlung über
den Genozid an den amerikanischen Ureinwohnern durch die einfallenden
europäischen Siedler. Oder als Hinweis darauf, dass Stanley Kubrick wie
Aufnahmen der Mondlandung gefälscht hat. Man sieht plötzlich Minotauren,
unmögliche Fenster und wenn man den Film einmal vorwärts und einmal rückwärts
abspielt und die beiden Projektionen übereinanderlegt bekommt man durchaus
interessante Interaktionen des Films mit sich selbst zu sehen.
Das alles beruft sich auf Kubricks Ruf als strenger,
absoluter Perfektionist, der jede noch so kleine Requisite im Film sorgfältig
arrangierte und eigentlich nichts dem Zufall überließ. Durch diesen simplen
Kniff kann man so gut wie alle aufgezählten Theorien untermauern und man hört
den Interviewpartnern, die niemals in natura gezeigt werden sondern für den
Zuschauer lediglich auf der Audiospur existieren, die Freude daran an, ihre
Erkenntnisse teilen zu können. Cinephile freuen sich immer, wenn sie ein bisher
unbekanntes Detail in einem ihrer Lieblingsfilme entdecken und wenn jenes
Detail dann auch noch zu einer mit Genuss zusammengebauten Deutungstheorie
korrespondiert – umso besser.
Das schöne an Room 237 ist, dass die Deutungen niemanden weh tun. Es sind einfach Ideen zu einem Film. Anders als beispielsweise mit den kruden Theorien in Filmen wie Die Mondverschwörung von Thomas Frickel oder in Mo Asumangs Die Arier gehen hier keine konkreten Abwertungslegitimationen anderer Menschen oder Einstellungen einher, es wird einfach eine abweichende Sicht auf ein Werk der audiovisuellen Kultur präsentiert. Ganz nebenbei erzählt Room 237 denn auch viel über die ungemeine Kraft, die ein Film entwickeln kann und über die wunderlichen Wege, zu denen das menschliche Hirn imstande ist. Ein einzelnes Detail im Hintergrund kann einen Rezipienten so beflügeln, dass er oder sie eine ganze Analyse darum bauen kann. Ein Poster kann einen Film entschlüsseln.
Das schöne an Room 237 ist, dass die Deutungen niemanden weh tun. Es sind einfach Ideen zu einem Film. Anders als beispielsweise mit den kruden Theorien in Filmen wie Die Mondverschwörung von Thomas Frickel oder in Mo Asumangs Die Arier gehen hier keine konkreten Abwertungslegitimationen anderer Menschen oder Einstellungen einher, es wird einfach eine abweichende Sicht auf ein Werk der audiovisuellen Kultur präsentiert. Ganz nebenbei erzählt Room 237 denn auch viel über die ungemeine Kraft, die ein Film entwickeln kann und über die wunderlichen Wege, zu denen das menschliche Hirn imstande ist. Ein einzelnes Detail im Hintergrund kann einen Rezipienten so beflügeln, dass er oder sie eine ganze Analyse darum bauen kann. Ein Poster kann einen Film entschlüsseln.
Kubricks Intelligenzquotient von 200 wird herangezogen, um
all die angeblichen Hinweise auf eine andere Sichtweise der Handlung zu
erklären. Ein so fähiger, intelligenter Mann muss doch einfach etwas jenseits
des offensichtlichen in Shining
eingebaut haben. Und auch wenn man kaum umhin kommt, dem zuzustimmen (Shining ist voller Anspielungen, die
sich aber nicht zwangsläufig zu den in diesem Film geäußerten Deutungen
verdichten müssen), so spricht niemand die mögliche andere Seite der Medaille
aus: das sich Kubrick für eine bewusste Täuschung entschieden hat, dass all die
Details vielleicht bewusst platziert wurden, aber mit der Intention, dem
Zuschauer eben so mannigfaltige Interpretationen anzubieten – oder ihn bewusst
in die Irre zu führen. Wenn man den 200er IQ als Legitimation für die
Genozid-Theorie heranzieht, dann kann man ihn auch als Erklärung für die
angeblichen Mondverschwörungs-Hinweise nehmen: vielleicht hat Kubrick euch auch
nur auf den Arm genommen, weil er sich vorstellen konnte, unter welcher
Beobachtung seine Werke standen. Warum muss man alles für bare Münze nehmen und
Kurbrick nicht auch einen elaborierten Scherz zutrauen? Und schon befinde auch
ich mich inmitten des Verschwörungsspiels rund um Shining…
Room 237 macht
Spaß, so wie es alle popkulturellen Verschwörungstheorien machen. Da es hier
nicht um die angeblich wahren Attentäter von 9/11 oder etwas vergleichbarem
geht, ist Room 237 das vergnügliche
Gegenstück zu all den Langspielplatten, die, rückwärts gespielt, angeblich
geheime Botschaften enthalten. Man erinnere sich nur an die „Paul is dead“-Theorie
über die Beatles. Letztlich ist Aschers Film ein höchst cinephiles Werk, das
seinerseits mit unterschwelliger Manipulation arbeitet und so seine eigene
Aussagen über die Exaktheit des Mediums konterkariert. So färbt man die
Ausschnitte aus Unternehmen Capricorn
einfach so ein, als würden sie die Fälschung der Mondlandung zeigen, wobei es
in jenem Film doch um eine gefälschte Marslandung geht, die Bilder also rot
getönt sind. Room 237 ist, ganz
passend, ein detailverliebter Film, an dessen Ende wohl kaum eine Schar neuer
Jünger für die eine oder andere Auffassung steht, wohl aber ein Publikum, dass,
eine spezielle Liebe zum Kino vorausgesetzt, einen interessanten Einblick in
die Wirkmechanismen von Filmen und selbige aufnehmende Gehirne bekommen hat.
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