BØRNING – THE FAST AND THE FUNNIEST
(Børning)
Norwegen 2014
Dt.
Erstaufführung: 10.09.2016 (TV-Premiere)
Regie: Hallvard
Bræn
Mit „guilty
pleasures“ ist es so eine Sache – die Filme zu mögen ist per se etwas peinlich,
zumindest, wenn es nach allgemein anerkannten Bewertungskriterien geht – welche
auch immer das sein mögen. Zumal es auch einen persönlichen Einblick gewährt,
sind „guilty pleasures“ doch oft Überbleibsel aus Kindheit und Jugend, deren
Unzulänglichkeiten dem erwachsenen Auge zwar auffallen, die Filme aber kaum von
den positiven Gefühlen zu trennen sind. Ich beispielsweise weiß, dass Independence Day beileibe kein guter
Film ist, aber als erstes FSK ab 12-Spektakel, dass man in einer Freundesgruppe
im Kino sehen durfte, wird er immer einen speziellen Platz in meiner
Lebensfilmographie einnehmen.
Mit
fortschreitendem Alter, immer mehr Filmen und mehr Seherfahrung (manche würden
es wohl auch Zynismus nennen) werden die neuen „guilty pleasures“ weniger –
vielleicht auch, weil man als furchtsamer Erwachsener nicht mehr so unkompliziert
zugibt, wenn einem ein bestenfalls mittelmäßiges Werk wirklich gut gefällt. Børning ist für mich genau so ein Film
und darum sei mir verziehen, dass er vielleicht etwas besser davon kommt, als
er „objektiv“ verdient hätte.
Roy (Anders
Baasmo Christiansen) ist ein Autonarr im bei der Bemessung seiner Strafzettel
nicht gerade zimperlichen Norwegen. Immer wieder gerät er mit seinem Erzfeind Doffen
(Sven Nordin) aneinander. Eins ihrer illegalen Rennen führt schließlich zum
Platzen der Fruchtblase seiner mitfahrenden Freundin. Alsbald von den
Schwiegereltern und der Mutter seiner Tochter verstoßen, konzentriert sich Roy
ganz auf das Herumschrauben an alten und neuen Wagen, die ihm in seine Werkstatt
geliefert werden und lebt mit seinen nicht weniger PS-affinen Freunden in den
Tag hinein. Über ein Jahrzehnt später ist die Beziehung zu seinem Nachwuchs von
höflichem Desinteresse und einer gewissen Unfähigkeit geprägt, was sich bald
ändern soll: Doffen fordert Roy zu einem erneuten Rennen heraus. Von den Außenbezirken
Oslos bis zur Stadtmitte ist als Strecke etwas wenig, auch die nächstgrößeren
Städte nordwärts rufen kaum Interesse hervor, also einigt man sich auf das
Nordkap, über 2000 Kilometer von Oslo entfernt, als Ziel, welches man in einem
Rutsch erreichen will. Zusammen mit ihren jeweiligen Verbündeten machen sich
Roy und Doffen auf den Weg über die eher auf das pittoreske Erlebnis
ausgelegten Straßen Norwegens, die leicht perplexe Polizei immer im Schlepptau.
Wer einmal in
Norwegen war, der weiß, wie abwegig die Idee eines Films á la The Fast and the Furious in diesem Land
ist – schmale, gewundene Straßen, große Distanzen mit nicht unüblichen
Fährüberfahrten und vor allem sehr saftige Bußgelder schon für kleine
Überschreitungen der (für deutsche Verhältnisse) sehr mager bemessenen Geschwindigkeitsbegrenzungen.
Kein Wunder, dass das erste Opfer des Rennens ein Starenkasten ist, der
rauchend ob so vieler PS den Geist aufgibt.
Aufbauend auf
dieser simplen Prämisse macht Børning – kaum etwas, was darüber hinaus gehen
würde. Es ist ein Autorennen von Oslo zum Nordkap mit allen Verwicklungen, die
dabei halt auftreten können (am effektivsten erweist sich ein Allergieanfall
der Tochter, weil Christiansen es versteht, die väterliche Sorge in dieser
Situation ausschließlich mit Blicken zu transportieren), unterfüttert von
lakonisch, „typisch skandinavischen“ Humor. Ohne Frontscheibe versuchen, eine
Zigarette anzuzünden? Warum nicht. Dabei verfehlt es zwar die deutsche, sehr
lustlos herunter gespulte Synchronisation, gerade diesen Aspekt adäquat zu
retten, aber im Original wirkt Børning
oft noch eigenwilliger, als es die Begebenheiten nicht ohnehin schon
suggerieren würden. Gerade das Ende ist unter diesem Gesichtspunkt grandios.
Die Charaktere
sind zweidimensional, die Konflikte ebenfalls, es hätten ruhig noch mehr, gern
auch schräge, Rennszenen in diesem Rennfilm enthalten sein können (gerade der
Beginn mit der Nachtfahrt aus Oslo heraus ist etwas unbefriedigend) und dennoch
schafft es Børning, auf seltsame
Weise, sich ein Mindestmaß an Charme zu erarbeiten, der den eigentlich recht
belanglosen Reigen unterhaltsamer macht, als er es eigentlich verdient hätte (sympathischer
als The Fast and the Furious ist er
auf jeden Fall). Ein Film über ein Autorennen in Norwegen – es ist beileibe
nicht mehr, aber auch definitiv nicht weniger. Der deutsche Verleih darf das in
diesen Tagen in Norwegen gestartete Sequel Børning
2: On Ice mit einem winterlichen Rennen von Bergen nach Murmansk gern
schneller importieren als diesen ersten Teil, der zwei Jahre nach seiner Premiere
im hohen Norden im Programm von Sky Deutschland versteckt wurde. Das hat auch
ein durchschnittliches „guilty pleasure“ nicht verdient.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen